„Inspirierend“. Das war das Feedback der meisten Teilnehmenden am Ende der 3. Transfertagung des ESF-Programms rückenwind+ am 23. Mai 2019 in Berlin. Einen Tag lang hatten die mehr als 90 Projektverantwortlichen aus allen Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege diskutiert, Ideen gesammelt und Strategien ausgetauscht. Das Ziel: Lösungen zu finden, wie sozialwirtschaftliche Organisationen und Unternehmen sich verändern müssen, um auch zukünftig genügend Fachkräfte zu gewinnen – oder zu behalten.
Denn die Palette der Anforderungen an die Einrichtungen und Dienste wächst rasant: massiver Personalnotstand, immer heterogenere Beschäftigten- und Kundengruppen, die digitale Transformation der Arbeitswelt.
Gut, dass die Tagung deutlich machte, wie viel Expertise in vielen Organisationen zu diesen Themen bereits vorhanden ist – und mit der ESF-Förderung zusätzlichen Rückenwind erhält. Der Tagungstitel „Vom Strukturwandel zum Kulturwandel – Digitalisierung, Vielfalt und Innovation in Unternehmen der Sozialwirtschaft“ war dabei gut gewählt. In den vier thematischen Dialogforen und einer offenen Plenardiskussion wurde schnell deutlich, dass es um mehr geht, als formale Strukturanpassungen im Organigramm oder vereinzelten Arbeitsprozessen. Gefragt ist ein viel radikalerer Umbruch, der Haltungen, Werte und altgediente Rollenmuster infrage stellt und neu denkt, und der die Bedarfe der Unternehmen und ihrer Beschäftigen gleichermaßen berücksichtigt. Ein Anspruch, der dem Grundsatz und Alleinstellungsmerkmal der Freien Wohlfahrtspflege entgegen kommt: „Von Menschen für Menschen“ bedeutet auch, Digitalisierung menschenzentriert und werteorientiert zu gestalten. Wie das geht? Geduld, Spaß am Experimentieren und gute Kooperationen mit vielfältigen Partnern. Die Podiumsdiskussion mit Expertinnen und Experten aus den Spitzenverbänden, dem Arbeitsministerium und der Wissenschaft war auch deshalb so wichtig.
Die rückenwind+-Projekte, die auf der Tagung ihre Ansätze diskutiert haben, sind längst in diesen Prozess eingestiegen. Sie erproben Lösungswege, um über digitalgestützte Weiterbildungsangebote Beschäftigte passgenauer für Qualifizierungen zu gewinnen. Es entstehen Social Media-basierte Anwerbekonzepte, um qualifizierte Fachkräfte auch für die abgelegeneren, ländlichen Regionen zu interessieren. Selbstorganisierte Pflegeteams starten in die Erprobungsphase. Und es gibt erste Kooperationen mit externen Partnern aus der Wissenschaft, um die Chancen von Zukunftstechnologien in sozialen Arbeitsfeldern auszuloten und weiterzuentwickeln.
Über 32.000 Beschäftigte in mehr als 1.600 Unternehmen profitieren derzeit aktiv von der Teilnahme an geförderten Angeboten. Ein Tropfen auf den heißen Stein bei rund 120.000 Einrichtungen in der Freien Wohlfahrtspflege insgesamt. Die 123 Förderprojekte, die rückenwind+ aktuell unterstützt, nehmen deshalb eine zentrale Multiplikationsfunktion wahr. Diese haben die Projektträger auf der Tagung bereits erfolgreich getestet, Visitenkarten getauscht, erste Anknüpfungspunkte sondiert und dabei festgestellt: Ohne eine enge Vernetzung, viel Austausch und konstruktive Partnerschaften geht es nicht, wenn wir eine attraktive Arbeitswelt 4.0 aktiv mitgestalten wollen.
Autorin:
Bettina Wegner, Leiterin der ESF-Regiestelle in der BAGFW für das ESF-Programm „rückenwind – Für die Beschäftigten und Unternehmen in der Sozialwirtschaft“, kurz: rückenwind+
Foto: Dirk Hasskarl